Genießt die Weihnachtszeit!
Freddy´s
Geschichte
„Der Nächste bitte.“ Es
klappert und piept, als Freddy langsam realisiert, dass er nicht mehr so
schnell zurückkommen wird. Und auch wenn er mit Gleichgesinnten unterwegs ist,
so war die frische Luft im Wald doch um vieles besser. Ach der Wald… Er war
seine Heimat und dort hatte er bis vor kurzem gelebt. Ja, bis es eines Tages laut
wurde und dann dunkel.
Freddy erinnert sich gerne
an seine Wohnung im 152. Stock des Hochhauses. Er teilte sie sich mit seiner
Tante. Tante Lisbeth hatte ihm viel erzählt. Von dem Leben in der Stadt und der
Straßenbahn, die sie so faszinierend fand. Von rieseigen Häusern und schnellen
Autos. Von jungen Männern mit Vollbärten, Jutebeuteln und einem nach Urin
aussehenden Getränk und von einer Lautstärke, die ihnen im Wald fremd war.
Woher sie das alles wusste.
Naja, Tante Lisbeth hatte gute Verbindungen zu den Schnattergänsen, die einen
Stock drüber wohnten. Und die hatten Flügel und waren deshalb auch schon oft in
der großen Stadt gewesen. Freddy fand es spannend, wenn Tante Lisbeth ihm
Geschichten von der Stadt erzählte. Er bekam Fernweh, obwohl oder gerade weil
er noch nie woanders als in seinem Haus und auf dem Balkon gewesen war. Einmal
hatte sie ihm von den Menschen erzählt die sich auf ein Fest vorbereiteten.
Weihnachten nannten sie es und sie verbanden damit unterschiedliche Dinge. Die
einen kochten was das Zeug hielt um endlich mal die ganze Familie satt zu
bekommen. Doch den Schnattergänsen wurden beim Anblick ihres Gleichen auf den
Tischen der Menschen ganz schlecht. Vor allem weil sich ihre Gänseschwestern
weder bewegten noch schnatterten. Dafür saßen sie ganze still auf einem
silbernen Teller, mit gebräunter Haut und ohne Kopf. Das ging zu weit. Die
Schnattergänse flogen weiter, denn ihren Schwestern war leider nicht mehr zu
helfen.
„19,53 Euro, bitte.“ Hörte
Freddy eine Stimme sagen. Mit Zahlen kannte er sich aus, schließlich hatte er jedes
Mal die Stufen gezählt wenn er in den 152. Stock gelaufen war. Es waren genau
1967 Stufen. Manchmal hatte er sich verzählt. Dann war er die ganzen Stufen
wieder runter gelaufen und hatte von vorn begonnen. Aber was hatte es mit
dieser bekloppten 19,53 Euro auf sich. Hörte sich fast an wie im Supermarkt. Freddy
ließ sich einfach zu schnell ablenken. Heutzutage würde er wohl ein typischer
Fall für ADHS sein und Ritalin bekommen. Allein, dass er jedes Mal die Treppen
nahm und nicht den Aufzug, das war auffällig und als hyperaktiv einzuschätzen.
Freddy vergaß die Zahl
schnell wieder und dachte zurück an die Geschichten von den Schnattergänsen,
die Tante Lisbeth ihm erzählt hatte. Wo war er stehen geblieben? Ach ja, beim
Essen von Weihnachten. Viel interessanter hatte er jedoch die Geschichte über
Bäume in Zimmern gefunden. Er wohnte im Wald und den sah er manchmal vor lauter
Bäumen nicht. Aber in einer Wohnung einen Baum? Er hatte Tante Lisbeth gleich
gefragt, ob da auch Erde auf dem Boden lag. Sie erwiderte, na klar, die
Menschen sind doch nicht dumm. Sonst würden die Bäume doch sterben. Freddy fiel
ein Stein vom Herzen. Ihn hätte die Vorstellung wütend gemacht, dass die
Menschen den Baum wohlmöglich einfach so, vielleicht mit ein bisschen Wasser in
einem Behälter in der Wohnung stehen lassen würden und dann am Ende von dem
Fest einfach rausschmeißen würden. Aber mit der Erde im Wohnzimmer war er
beruhigt. Ja, das Ritalin sollte er wohl öfter nehmen. Das hatte ihm seine
Lehrerin auch gesagt, als er einfach mal mitten im Unterricht aufstehen wollte
um seinen Gedanken im Gehen weiterzudenken. „Setzen! Hier sitzen alle. Was
würde das denn für eine Unruhe geben, wenn alle aufstehen und laufen würden.“
Still sitzen war das Motto. Und das Medikament half da ganz gut.
Auch wenn die Schnattergänse
wussten, dass sie den Ort, wo der Hahn ganz oben auf dem Dach saß und
logischerweise das Sagen hatte, für sie tabu waren, so flogen sie dort mal
vorbei, denn anders als sonst strömten an diesem Tag besonders viel Menschen
zum Hahn, bzw. in das Haus. Was die dort wohl alle suchten?
Jetzt kam ein Teil der
Geschichte, den Freddy besonders witzig fand, denn es ging um Kinder. Naja
nicht irgendwelche Kinder, sondern Kinder, die sich verkleidet hatten um eine
Geschichte zu spielen. Gerne wäre Freddy mal dabei gewesen, aber wie sollte er
aus dem 152. Stock seiner Mietswohnung im Wald in die Stadt kommen? Es war
einfach zu kompliziert. Die Schnattergänse hatten Flügel. Und er? Naja er
wollte nicht länger darüber nachdenken, denn sonst würde er wieder unzufrieden.
Außerdem befand er sich ja
mittlerweile nicht mehr in seiner Wohnung, sondern in einer Box? Im Supermarkt?
Was war hier eigentlich los?
Die Kinder waren alle
unterschiedlich verkleidet. Aber alle hatten ziemlich alte Mäntel und Hosen an
und fast jeder trug einen Hut auf dem Kopf. Freddy hatte gedacht, dass sich
Kinder moderner anziehen würden. Zumindest die er im Wald gesehen hatte. Die
hatte alle Jacken mit so einer Bärentatze drauf an.
Also die Kinder spielten
irgendwas in einem Stallähnlichen Gebilde, welches in dem Hahnenhaus aufwendig
konstruiert worden war. Er konnte sich noch gut erinnern, wie Tante Liesbeth
von einem Baby sprach, welches auch mitspielte. Bei weiterem Nachfragen kam
raus, dass es nur eine Babypuppe gewesen war. Und dennoch hatte sie auf einmal
so etwas Verliebtes in ihrer Stimme gehabt. So wie Tanten das haben, wenn sie
an Babys denken. Alle rannten durcheinander, doch es gab auch eine Struktur.
Die Struktur war auf das Baby ausgerichtet. „Muss ja ein besonderes Baby sein,“
dachte sich Freddy. Ein Chor sang: „Der Retter der Welt ist geboren“. Hässliche
Gestalten näherten sich dem Stall. Da waren auch die Eltern des Kindes zu
sehen. Freddy dachte, „wenn sich meinem Kind so hässliche Gestalten nähern,
würde ich zuschlagen.“ Naja vielleicht auch nur wegscheuchen. Dann kamen noch
Könige. Er verstand das Theater nicht. Hatte ein bisschen was von Shakespear.
Noch ehe es sich mehr
Gedanken machen konnte, ruckelte es in der Schachtel in der er sich befand und
er knallte mit seinem Kopf an die Wand der Schachtel. „Aua.“
Er verdrängte die negativen
Gedanken. Denn zu gut waren die Geschichten von Tante Lisbeth, an die er sich
erinnern konnte. Da gab es einen dicken Mann, der den Kindern Geschenke machte.
Und auch wenn sich die Kinder und auch Erwachsenen darum stritten, ob es ihn
gibt oder nicht und ob er einen dicken Truck fuhr, so hatte er zumindest
Geschenke dabei. Warum eigentlich Geschenke? Der Grund konnte nicht sein, dass
die Menschen sonst so wenig bekamen.
Noch ehe er sich weiter der
Frage widmen konnte, wurde es auf einmal sehr hell. Er musste die Augen ganz
klein machen und zwinkern, denn ein gelbes helles Licht blendete ihn. Es sah
aus wie ein Stern. Aber darüber sah er nicht den großen Sternenhimmel, wie er
es aus dem Wald kannte. Über dem Stern, der komischerweise aufgehängt war
befand sich eine Betondecke. Es handelte sich also um ein Haus in dem er sich
befand. Das Haus hatte hohe Wände und viele Bänke standen ordentlich
hintereinander gereiht. Was sollte er hier nur machen? Freddy wollte die
anderen fragen, die sich auch in derselben Schachtel wie er befanden doch ehe
er etwas sagen konnte, war der eine weg. Es machte ratsch, ein helles Licht
leuchtete auf und das war´s. Dann qualmte es und ein anderes größeres Licht
brannte. Feuer hatte er schon mal gesehen. Damals als die Menschen noch mit
Fackeln durch den Wald liefen. Aber es bedeutete etwas Bedrohliches für ihn.
Denn Feuer verbrannte Holz. Und er war ja ganz aus Holz. Bevor er weiter denken
konnte, wurde schon der nächste Kollege, aus der Schachtel genommen und „ANGEZÜNDET.“
Es schrie nur so aus Freddy
heraus. Und als ob der Mensch, der die Schachtel hielt Freddy gehört hatte,
warf er die Schachtel weg. Freddy wusste nicht wie ihm geschah. Er war das
letzte Streichholz. Dann fiel er aus der Streichholzschachtel, runter auf den
Boden.
Während Freddy so auf dem
Boden lag, dachte er an das Stück, welches die Kinder in dem Hahnenhaus
gespielt hatten und besonders an den Gesang des Chores: „Der Retter der Welt
ist geboren.“ Also diesen Retter konnte er jetzt auch gebrauchen. Die
Eigenschaft eines Retters war es doch jemanden aus einer schwierigen Situation
zu retten. Wo war denn jetzt der Retter? Moment, hatte der Chor das nicht über
das Baby gesungen. Das ging doch nicht. Ein Baby, als Retter? „Hilfeeeee!“
Die Adventszeit war vorbei
und alle freuten sich auf den Heiligen Abend. Sophie hatte heute ihren großen
Auftritt. Sie durfte Maria beim Krippenspiel sein. Sie hatte sich gut
vorbereitet und konnte ihren Text auswendig. Mit ihrem Bruder und den Eltern
fuhr sie zur Kirche um im Gottesdienst das Krippenspiel aufzuführen.
Als die Familie in der
Kirche ankam, war alles schon aufgebaut und in 15 Minuten sollte der Gottesdienst
losgehen. Sophie staunte über die großen Weihnachtsbäume die in der Kirche
standen und mit Lichterketten geschmückt waren. „Wo die Tannen wohl her waren?“,
überlegte sie. Wahrscheinlich aus dem großen Wald am Rande der Stadt. Witzig
fand sie, dass die Pfarrerin wie wild auf ihren Knien vor dem Altar rumkroch
und irgendwas suchte. Die Frage war nur was? Doch dafür hatte Sophie keine Zeit
mehr zu fragen, denn die Glocken fingen schon an zu läuten und alle setzten
sich hin. Auch Sophie nahm ihren Platz ein. Neben Josef natürlich und mit dem
kleinen Jesus Baby unter ihrem Mantel, denn noch war es ja nicht geboren.
Das Spiel war in vollem
Gange, als Sophie plötzlich bemerkte, dass an dem Adventskranz nur 3 Kerzen
brannten. „Oh nein“, rief sie kurz auf. Josef guckte besorgt, denn das Kind
durfte noch nicht kommen. Sie zeigte mit dem Finger auf den Adventskranz. „Heute
ist doch Heilig Abend, also muss auch die 4. Kerze brennen“, sagte Sophie. Sie
erinnerte sich an die auf Knien rumkriechende Pfarrerin. Sie hatte wohl das
letzte Streichholz gesucht und nicht gefunden.
Jesus wurde geboren und der
Chor setzte mit dem Lied ein. „Der Retter der Welt ist geboren“. In dem Moment
sah Sophie ein Streichholz. Es lag genau unter dem großen Stern.
Freddy hörte den Chor und
freute sich über die Klänge. Endlich war er mal live dabei. Was das wohl mit
dem Retter auf sich haben sollte. Ihm war´s egal, denn er war heil davon
gekommen. Ja, noch besser: Er war gerettet worden.
Bis jetzt… Plötzlich spürte
er, wie ihn jemand beobachtete. Es war das Mädchen aus dem Krippenstück,
welches die Maria spielte. Sie starrte ihn an. Wenn Blicke töten könnten, dann
wäre er längst gestorben. Und dafür fühlte er sich noch zu jung. Er hatte ein
ungutes Gefühl. Was wollte sie nur von ihm?
Er hörte Maria noch zu Josef
sagen: „Da ist ein Streichholz. Unsere Rettung.“ Und dann noch ein Ratsch und
ein helles Licht und die 4. Kerze des Adventskranzes brannte. Und durch die
Kirche raunte ein „Ooooh, wie schööön! Frooohe Weihnachten!“
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